DTFB-Stories

Kickern als Zeitvertreib in der Schule, dem Vereinsheim oder dem Jugendzentrum ist bei jungen Menschen Alltag. Tischfußball als kompetitiver Sport noch Nische. Trotzdem stoßen kontinuierlich Jugendliche aus allen Ecken des Landes zur Tischfußballszene hinzu und mischen diese bisweilen gehörig auf. Immer wieder tauchen Junioren und Juniorinnen auf großen Turnieren in den offenen Disziplinen ganz vorne auf. Bei der WM 2022 stechen im Juniorenfeld Deutschland und Österreich heraus. Ein genauerer Blick auf die deutsche Jugendarbeit lohnt sich, auch wegen der jüngst vergangenen DM in Oeversee bei Flensburg.

photo-2023-02-12-18-28-00-5-croppedDie wird im U19 Feld dominiert von den Berlinern Justus Aust (17, rechts Offense im Bild) und Özgün Karabarlas (18, rechts Defense). Die beiden bedienen auch gut das obige Beispiel. In offenen Wettbewerben auf großen Turnieren lassen sie teilweise gestandene Nationalspieler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im wahrsten Sinne alt aussehen. Unter anderem einen ihrer Förderer, Raphael Hampel. Mit seinem Teamkollegen Thomas Haas trat Hampel 2016 in Berlin eine Bundesfreiwilligendienststelle beim DTFB an.

Ihr Hauptwirkungsort, das Jugendzentrum „New Way“ in Berlin. „Özgün ließ sich von Einrichtungsleiter Carsten Essing als Erster für den Sport begeistern. Gegen Ende des Bufdi-Jahres Ben Thieme (18, links Offense). Den habe ich dann auf einem Vater-Kind-Kickerturnier bei uns am Kiez getroffen, wir haben uns gut verstanden. Dann bin ich über ihn zu den Cubs gekommen“, erzählt Justus Aust auf der Heimfahrt von Flensburg.

Aus einer Idee „ist mittlerweile ein großartiges sozialpädagogisches Projekt entstanden und unser Verein New Way Cubs unter der Leitung von Hans-Georg Prengel, mit Teamshop, 13 deutschen Meister- und auch schon Weltmeistertiteln“, so Aust stolz. Sein Doppelpartner Karabarlas gibt auf seiner Insta-Seite sein Ziel preis: Der beste Tischfußballer der Welt werden. Die begnadeten Youngsters der Cubs sind ein Parade-Beispiel für institutionelle Nachwuchsförderung des Verbandes.

„Mit der DTFJ (Deutsche Tischfußball Jugend) als seperater Arm des Verbands haben wir in Deutschland eine Struktur, die wohl einzigartig und gleichermaßen förderlich ist“, so Jan Eschweiler-Voecks, der mittlerweile für das Gebiet Ausbildung im DTFB zuständig ist und Jugendwart war. Das achtköpfige, interdisziplinäre Team „ist eine super Mischung“, meint Eschweiler-Voecks, wo Leistungsförderung und Pädagogik gut ineinander greifen. „Und da Jugendarbeit immer etwas Zeit versetzt ist, wird das Programm erst noch richtig Früchte tragen." Das Aushängeschild ist dabei das Kickercamp in den Osterferien.img_4937-cropped

Mehrere Tage Kickern am Stück, „bei dem man viel übt und von den Trainern etwas gezeigt bekommt", erzählt die dreimalige Camp-Teilnehmerin und frisch gebackene deutsche Meisterin der Juniorinnen Eileen Hehner (15, auf dem Siegerpodest). Gepaart mit dem Gefühl von Ferienlager, „bei dem man viele Leute kennenlernt und sich anfreundet“ eine gute Kombination. Sie ist über ihren Vater Sven zum Kickern gekommen. „Das klassische Eltern-Kind-Modell“, erklärt Eschweiler-Voecks. „Weil es viele Aktive in Deutschland gibt, entdecken junge Menschen auch über ihre Familie das Kickern für sich. So entstehen ganze Kickerfamilien“. Eileens Papa ist beim Klub in Fränkisch-Crumbach Vorsitzender und verantwortlich, dass aus dem Darmstädter Vorort Kickertalente am laufenden Band heran wachsen. Er steht exemplarisch für viele ehrenamtlich Engagierte im ganzen Land. Über den Kickertisch in der Schule spricht sich rum, dass es einen Kickerklub im 3000 Seelendorf gibt, erklärt Eileen.

In Sachen Tischfußball sieht es nach einer rosigen Zukunft in Deutschland aus. Wer sich selbst ein Bild machen will, kann sich die Spiele der DM im Relive auf Twitch und dem Kanal „dtfbtv_2“ ansehen.  

https://www.twitch.tv/dtfbtv_2

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Die Augen der Kickerwelt sind auf Deutschland gerichtet. Das liegt nach dem Goldrausch bei der letzten WM 2022 an der Qualität der Athleten und Athletinnen. Andererseits am Spielgerät selbst, dem deutschen Heimtisch "Leonhart", der sich weltweit großer Beliebtheit erfreut. Gebaut wird der im niederbayerischen Outback in der Gemeinde Pilsting in einer Traditionsschreinerei. Seit 1949 wird hier geschreinert, seit den 60ern sind Kicker- und Billardtische die Spezialität des Hauses. Für die Weltmeisterschaft, aber auch für Nostalgiker und deren Hobbykeller. Darauf legt Christian Fiedler, Firmenchef in dritter Generation Wert.

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Hinter Bäumen und Büschen versteckt, am Gleisbett des stillgelegten Containerbahnhofs Harburg am Rande der Gemeinde Pilsting, versteckt sich ein Werksgelände. Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein mittelständischer Schreinereibetrieb im klassisch bayerischen Stil. Große wummernde Maschinen, der Geruch von Holzspan, Bayern 3 Pophits aus dem Baustellenradio, Kalender von leicht bekleideten Damen und Herren eines Bohrmaschinenherstellers, Fanschals von den Münchner Löwen. Nur der Ausstellungsraum mit Kickern in allen Formen und Farben verrät, dass hier einer der größten Kickerhersteller Europas beheimatet ist. Alles versprüht hier die Atmosphäre von Werkstatt und Museum zugleich. Exemplarisch dafür: In goldenen Rahmen und Öl gemalt thronen die Konterfeis der Firmengründer Xaver und Johanna Leonhart an der Wand, bevor man ins Büro eintritt.


Dort sitzt auf dem Schreibtisch Christian Fiedler, der Urenkel. Mit seinem Bruder Andreas lenkt er die Geschicke der rund 20 Mitarbeiter. Er ist der Stratege, sein Bruder Andreas die ausführende Hand. Fiedler trägt Jeans, Chucks, hat die Haare zum Zopf nach hinten gebunden und könnte auch Bassist einer 80er-Indie-Rockband sein. Dass er nun Kickertische vertreibt liegt am Uropa. „Der hat immer schon kreativ gedacht und Dinge ausprobiert, zum Beispiel auch gern gezaubert. Als er 1949 die Firma gegründet hat, brauchte es aber noch andere Dinge als Kickertische“, erklärt er. In der Nachkriegszeit wurden hier pragmatische Klappmöbel gebaut, platzsparend, angepasst an die bescheidenen Lebensumstände zu der Zeit.

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Das erste Modell "Turniersieger" wird in den 50ern gebaut und setzt sich in den 60ern auf dem Markt durch. Auf einer internationalen Messe begegnet Xaver einem Aussteller, der ihn von der Kickeridee überzeugt. Er spielt selbst gerne. Wenig später werden in Handarbeit die ersten Tische gefertigt, solide gebaut, mit Qualitätsversprechen. "Wenn ich eine Bohrmaschine von einem namhaften Hersteller kaufe, erwarte ich, dass sie nicht beim ersten Arbeitseinsatz den Geist aufgibt. Dafür kostet sie halt ein bisschen was. So ist es bei unseren Kickertischen", meint Fiedler. Dieser Ansatz trägt auf lange Sicht Früchte, sorgt mittelfristig aber für Probleme. Die Kooperation mit dem Spielautomatenhersteller "Löwen Automaten" bringt in den 80ern den ersten Boom und ein volles Auftragsbuch. Der rot-blaue Löwensoccer erobert von Niederbayern aus, die Wirtshäuser, Kneipen und Discotheken des Landes. Bis ein Konkurrent billiger produziert, Teile günstig aus dem Ausland bezieht und Leonhart aussticht. Der Löwen-Deal ist weg. Das Personal muss um die Hälfte auf den heutigen Stand abgebaut und die bis dato eher unbekannte Eigenmarke etabliert werden.

zeichnerDas ist bis heute Fiedlers Hauptaufgabe. Dabei erschließt er wie der Urgroßvater neue Wege. In diesem Fall, den Sport Tischfußball. Mitte der 2000er baut er eine Kooperation mit dem deutschen Tischfußballbund auf. Ein paar Jahre später ist er ein wichtiger Spieler einer Kampagne, um Kickern als anerkannten Leistungssport zu etablieren. "Die Logistik, Organisation, Anfertigung, Wartung und Spedition, dass hunderte Tische durch Europa, zur WM nach Frankreich und paar Wochen später ins Saarland zur Leonhart World Series transportiert werden, tragen aktuell wir". Bei steigenden Energiepreisen ein hoher Tribut. Dafür erfreut sich der "Leo" in der internationalen Szene immer größerer Beliebtheit. In den Niederlanden und Tschechien ist er schon etabliert. Mit dem erfolgreichen österreichischen Verband gibt es eine neue Kooperation. In diesen Tagen findet das erste offizielle ITSF-Turnier, das in Österreich auf "Leo" gespielt wird statt.


In einem entlegenen Winkel der Werkstatt steht die Führung ihrem Ende bevor. In der hauseigenen Schlosserei fertigt ein Mitarbeiter, unter Beobachtung seines Hundes, die Metallbeine an, die später mit eigens angerührtem Beton beschwert werden. Fiedler erinnert sich: "Da sind wir gestanden". Er, ein Marketingbeauftragter und ein deutscher Topspieler. "Dann haben wir diskutiert und aufeinander eingeredet, was auf der Homepage im Vordergrund stehen muss. Das Produkt in Hochglanz, oder Menschen am Tisch, die Lifestyle vermitteln. Irgendwann hab ich gesagt, stopp: Wir machen beides. Das passt zu uns", erzählt Fiedler amüsiert.

nagelmaschineEr wirkt wie jemand der aus Verantwortungsbewusstsein mit der Zeit geht, eigentlich aber längst aus ihr gefallen ist. Neben PR, WM und Marketing bauen er und sein Team auch noch die ganz alten Modelle in neu. "Wenn jemand mit seinem vierzig Jahre alten kaputten D-Mark Münzer kommt, dann reparieren wir ihn". Hauptgeschäftszweig sind nach wie vor Private und Firmen, die ihre individualisierten Kicker bekommen. "Ich dachte irgendwann ist doch jeder mal versorgt, zumal unser Zeug nicht kaputt geht. Aber es hört nicht auf". Wieder im Herz der Werkstatt angekommen steht Fiedler vor einem fast fertigen Tisch. Eine Mitarbeiterin zieht per Hand die Silikonfuge am Spielfeldrand. "Das machen nur wir", erwähnt Fiedler augenzwinkernd. „Da kann man auch mal ein Bier reinkippen, ohne dass alles in den Korpus läuft und sich verzieht". Er weiß selbst am Besten, dass das besagte Turniermodell wohl nie in die Nähe eines Bieres geraten wird. 

Hier gibt es noch bewegte Eindrücke auf YouTube "Leonhart Kickertisch Produktion: How to build a table"

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